Zusammen mit 38.000 Radsportverrückten 110km rund um das Kap racen, das schwebte mir vor, als ich noch einen Startplatz für die Cape Town Cycle Tour 2017 ergattern konnte. Die 40. Ausgabe des Kultrennens sollte ein monumentales Ereignis werden, so die Veranstalter. Und das wurde es auch, nur anders als gedacht…

Fünf Wochen vor dem Renntag: Bilanz des Trainingsstandes. Dreimal mit Babyjogger und Hund raus in der Woche, zwei Tage Skifahren und vier mal auf dem Bike gesessen in diesem Jahr. Es folgt die Erkenntnis, dass Heldentaten in Südafrika nur mit herausragendem Material möglich sein werden. Auf zur Tat!

Nach einigen Nächten stand das Konzept für das einhorn 190 corsa carbon bsa. Den vorzüglichen Rahmen hatten wir als Muster glücklicherweise schon vorrätig. Die Anregung eines passionierten Fahrers, der keine guten Erfahrungen mit den Press-Fit-Innenlagern renommierter Bikehersteller gemacht hatte, brachte uns dazu, einen modernen Carbonrennradrahmen mit klassischem BSA-Tretlager zu entwickeln. Die Mission ist gelungen, der Rahmen wurde sehr fein. Extrem steif, auf Langlebigkeit und Stabilität ausgelegt, und als Maßrahmen vergleichbar Größe L bringt er nur 925g auf die Waage. Das gute Stück haben wir dann mit einer Sonderlackierung versehen: der untere Teil in der Porsche-Farbe vodoo blue, dann carbon natur, und oben die Audi-Farbe misano rot. Und unser Carbonlackierer hat ganze Arbeit geleistet, der Lack wurde fantastisch.

Aufgebaut haben wir das Bike mit der SRAM Force 22 Gruppe, den bewährten DT Swiss RC 38 Carbonlaufrädern, einem supersteifen Deda Superzero Cockpit und der komfortablen Bike Ahead THE Carbonsattelstütze. Der Ansatz dahinter war, das Bike zwar so leicht wie möglich zu machen, vor allem aber sollte es hart im Nehmen sein und maximale Sicherheit vermitteln. Schon bei der Geometrie hatte ich deshalb auf ein längeres Oberrohr und einen flacheren Lenkwinkel gesetzt. Dazu wurde der Vorbau kürzer als üblich und der Lenker eine Größe breiter gewählt. Von der Geometriephilosophie entspricht das dem, was bei Trail-MTBs nun state of the art geworden ist und unserer Erfahrung nach auch bei Rennrädern erhebliche Vorteile bringt.

Fünf Tage vor Abflug nach Kapstadt: Das einhorn ist nach einer Nachtschicht fertig und es kommt Vorfreude auf, auch bei genau 6,8kg auf der Waage. Eine Stunde testfahren am Tag darauf geht sich noch aus, um alles perfekt einzustellen und sich aneinander zu gewöhnen. Die Pumpe geht, die Oberschenkel zwicken, aber das Bike lechzt nach Speed. Es stellt sich das erhebende Gefühl ein, dass es am Material nicht scheitern wird.

München, 4°C, Regen: Wir sind zeitlich mal wieder extrem knapp dran, und merken, dass zwei kleine Kinder, 60kg Gepäck plus der Evoc Bike Travel Bag Pro mit dem einhorn 190 drinnen doch gar nicht so leicht zu handeln sind. Wobei der Evoc Bag echt genial ist. Das einhorn fühlt sich darin wohl und man bringt darin noch alles restliche Sportequipment unter. Mit etwas Selbstbeschränkung geht sich das sogar ohne Übergepäckzuschlag aus.

Kapstadt, 28°C, Abendsonne: Nach einem Stop in Dubai sind wir 20 Stunden später in Kapstadt. Von der Landung bis zur Aushändigung des Mietwagens dauert es noch ein Weilchen, und wir sind kurz vor völlig am Ende. Langstreckenflüge mit Kleinkindern sind Extremsport, wobei die Kids mehr Spaß hatten als wir. Das südafrikanische Handynavi funktioniert auch noch nicht, und so fahren wir gleich im Linksverkehr mal durch das ein oder andere dunkle Township bis wir die Unterkunft erreichen. Abendessen fällt aus, Schokolade tuts auch, und dann folgt der Erschöpfungschlaf.

Mit dieser in sportphysiologischer Hinsicht optimalen Vorbereitung gehts am Tag vor dem Rennen zum seit der WM 2010 bekannten Cape Town Stadium. Die Südafrikaner haben die Organisation von 38.000 Startern voll im Griff. Man wird durch die Katakomben des Stadiums geleitet und erhält fast ohne Wartezeit seine Startunterlagen. Dahinter schließt sich eine Bikemesse an, die sich nach halb Eurobike, halb Basar anfühlt. Dazwischen gibt es Wine Tasting nebst Kulinarik, da sieht man bereits einige Sportler zur Höchstform auflaufen. Im dichten Gedränge merkt man aber jedenfalls schon die kolportierte legendäre Race Day Stimmung. Das Rennen kann kommen.

22:30 Uhr am Abend vor dem Rennen: Der Tag war länger als gedacht, das geplante Warmfahren eine Illusion, und ich beginne mit dem Auspacken und Aufbauen des einhorns. Mit dem Topeak Nano Torq Bar lässt sich auch außerhalb der Werkstatt drehmomentgenau montieren, ein sehr empfehlenswertes Tool. Nach einer knappen Stunde ist alles präpariert, die Schaltung schnurrt, die Trinkflaschen sind befüllt, und die Startnummer ist am Trikot. Ich freue mich auf fünf Stunden Schlaf und checke noch schnell die Aussichten für den Renntag: Es soll windig werden, gibt der Veranstalter bekannt, Fahrer mit geringer Fahrtechnik sollten sich aus Sicherheitsgründen überlegen, ob sie teilnehmen. Ich freue mich bereits, dass ich in weiser Vorrausicht bei den 38mm hohen Carbonfelgen geblieben bin, und nicht der Verlockung der seitenwindanfälligen 58mm Version erlegen bin.

Um 6 Uhr bringt mich ein Taxi Richtung Start ins Zentrum von Kapstadt. Man wird ja nicht jünger und irgendwie klangen 30km Warmfahren im Halbdunkel durch die Vorstädte nicht so prickelnd, daher der ungewohnte Luxus. Mit dem Taxifahrer entspinnt sich eine rege Unterhaltung, die Südafrikaner sind locker und lässig drauf. Wir nähern uns dem Startbereich, man merkt, dass der angekündigte Wind rege bläst, aber überwältigend sind die nicht enden wollenden Massen an Radsportlern, die die komplett gesperrten mehrspurigen Straßen bevölkern. Alleine der Start des Rennens ist über vier Stunden verteilt, damit alle halbwegs sicher auf die Strecke können.

 

Mit dem schönen Gefühl des Pre-Start-Adrenalis steige ich aus dem Taxi und merke sogleich, dass da kein laues Lüftchen weht, sondern ein kleiner Sturm. Die Massen an Radfahrern um mich herum scheinen auch irgendwie nicht nur in Startfreude zu sein, sondern halten nun teilweise verkrampft ihre Bikes fest und suchen in den Häuserschluchten links und rechts Schutz vor Windböen. Ich kämpfe mich ein Stück voran Richtung Startbereich. Und als das Chaos um mich herum immer größer wird, schallt es auch windverzerrt aus den Lautsprechern: Das Rennen wird abgesagt wegen Sturmböen bis 100 km/h. Man solle aus Sicherheitsgründen den Bereich sofort verlassen und nach Hause gehen. Die erste gestartete Profigruppe hatte bereits schwere Stürze. In den Häuserschluchten wurden einige Fahrer regelrecht vom Rad geblasen und auf die Straße geschleudert. Meine Stimmung schwankt zwischen Frustration, Trotz und

Krisenmodus. Ich kämpfe mich gegen den Wind die Straße entlang, bis es an einer Ecke etwas ruhiger wird. Dort werde ich noch von einem Kameramann interviewt, was ich zur Lage zu sagen habe. Die Leute werden schlagartig weniger, einige sind tatsächlich schon beim Bikeschieben quer zur Windrichtung gestürzt und haben Schürfwunden. Ich beschließe, den Ort des Geschehens zu verlassen, und bewege mich langsam aus dem Zentrum hinaus Richtung Meer. Der Wind bläst hier immer noch ordentlich, aber ich kann es riskieren: Ich schwinge mich aufs Bike und radle los, den Lenker fest umklammert, Vmax 12 km/h trotz vollem Krafteinsatz. Zusammen mit ein paar anderen Verrückten pedaliere ich gen Nordosten an der Küste entlang. Die Rennstrecke wäre in die andere Richtung verlaufen. Ein paar mal muss ich stehen bleiben, die Böen werden zu heftig. Aber nach einigen Kilometern flaut der Wind ab und es ist warm und angenehm. Man kann sich nicht vorstellen, was gerade noch los war. Völlig von den Ereignissen geplättet fahren ich, Strava Navigation sei Dank, einen großen Bogen über die Vororte bis in die Weinberge und bin nach 50km zurück in Richtung Unterkunft. Unterwegs treffe ich zahlreiche Biker die sich gegenseitig aufmuntern, alle vereint durch die Startnummern an den Rädern, die Zeugnis der Leidensgenossenschaft sind. Grandios ist auch noch ein Wachmann an einem Checkpoint der Hafenstraße, der mir zuruft: „ bro, I am so sorry about the race, really sorry for you…“. Das lässt einen erahnen, was man an großartigen Fans entlang der Strecke verpasst hat. Und so geht es mir die ganze restliche Zeit in Südafrika: der Rennabbruch ist ein Riesenthema in allen Medien und bei allen Leuten, die wir treffen, man erntet überall aufmunternde Worte.

Was bleibt von diesem Tag?

Zunächst war es trotzdem ein bleibendes Erlebnis. Die Südafrikaner sind radsportverrückt und tolle Gastgeber. Und auch das einhorn 190 hat sich unter Extrembedingungen hervorragend geschlagen. Das Handling des Bikes hat auch bei Sturmböen Sicherheit vermittelt, und bei einer späteren Ausfahrt hat sich auch bei Abfahrten mit bis zu 90 km/h absolut kein Flattern gezeigt, das Bike ist nicht aus der Spur zu bringen. Die Kombination aus langem Oberrohr, flachem Lenkwinkel, kurzem Vorbau und breitem Lenker ist meines Erachtens super und wird zukünftig an weiteren Bikes von uns zum Einsatz kommen. Nun können weitere Rennen, die dann hoffentlich stattfinden, kommen – das optimale Material dafür steht schon mal bereit 😉

Südafrika ist ein absolutes Traumland für Radsportler. Und mag es auch noch Jahre dauern – eines Tages kommen wir, Cape Epic!